Ehrenamt speziell – Jörg Boden im Interview
Was war der Moment oder die Situation, die Sie dazu gebracht hat, sich nach dem Brand der Stadtkirche für den Bau zu engagieren?
Es war die Frage, ob ich meine beruflichen Erfahrungen einbringen kann. Zögern oder langes Überlegen war nicht angesagt. Im August 2023 lag der Brandgeruch noch über der Stadt. Da war Helfen auch eine Form der Auseinandersetzung mit den Geschehnissen.
Welche Aufgaben bzw. Tätigkeiten übernahmen Sie bei der Beräumung der Ruine und übernehmen Sie konkret beim Wiederaufbau der Kirche? Was ist für Sie daran besonders erfüllend?
Die Arbeiten der Beräumung und Sicherung der Brandruine dauerten über ein Jahr. Ich habe die Kommunikation zwischen allen direkten Beteiligten koordiniert, die Verbindungen zu den Ämtern und begleitenden Firmen gestaltet. Hier waren vor allem schnelle Entscheidungen nötig. Die sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit aller war und ist eine gute Grundlage für die Arbeit. In der zurückliegenden Zeit sind wichtige Entscheidungen getroffen worden, die den Weg zu einem Kirchgebäude auf dem Kirchberg ebnen. Auch hier werde ich mich in die Verfahren des Architekturwettbewerbs, der Planungen für den Bau und die Umsetzung einbringen. Die Mitglieder des Kirchenvorstandes und alle Beteiligten rundherum haben sehr großes Vertrauen in mich und meine Erfahrung auf dem Gebiet des Projektmanagements gesetzt und mich in das Team aufgenommen.
Gab es besondere Herausforderungen, mit denen Sie im Ehrenamt konfrontiert wurden, und wie haben Sie diese gemeistert?
Ich habe keine Schaufel und keinen Eimer Brandschutt getragen, keinen verschütteten Rest der wertvollen Kulturgüter gesucht. Das haben teilweise unter schwierigen Bedingungen die Arbeiter der Beräumungsfirma und ehrenamtliche Kräfte um Pfarrer i.R. Norbert Littig erledigt. Die Prüfung der Standsicherheit des verbliebenen Mauerwerks und die Sicherung haben Planungsbüros und Fachfirmen gemacht. Meine Herausforderung war
die unterschiedlichen Belange der Beteiligten immer im Blick zu behalten und miteinander die Ziele zu erreichen. Ich bin sehr froh, dass wir offen und ehrlich miteinander umgegangen sind und lösungsorientiert gearbeitet
haben. Das gilt für die Firmen genauso wie für die Ämter der Stadt, den Landkreis und die Landesdirektion und die Verantwortlichen im Kirchenvorstand, dem Regionalkirchenamt und der Landeskirche.
Was würden Sie anderen Menschen, die vielleicht noch zögern, sich zu engagieren, über die Bedeutung von ehrenamtlichem Einsatz für unsere Kirche und die Gemeinde erzählen?
Ehrenamtliche Arbeit wird in der jetzigen Zeit meist mit Füllen von Lücken, die im gesellschaftlichen Leben aufgrund von fehlenden Mitteln auftreten und sichtbar sind, verbunden. Im konkreten Fall unserer Kirche ist es der schlimme Brand, der im Sommer 2023 viele Mitmenschen wieder oder noch mehr zum Engagement für unsere Kirche – und da meine ich nicht nur das Kirchengebäude – gebracht hat. Der eine oder andere hätte sicher gern tatkräftig Hand angelegt. Das war aus vielen Gründen, vor allem aus Gründen der Sicherheit, nicht möglich. Dennoch kann man sich direkt in den nun anstehenden Planungs- und Bauprozess einbringen. Ein wichtiger Punkt war z.B. die Beteiligung an der Umfrage. Es werden in nächster Zeit der Architekturwettbewerb, die Planungen und die Umsetzung folgen. Jede Idee ist da hilfreich. Zudem kann die Kirchgemeinde immer Fürsprecher und Helfer gebrauchen, die das Projekt in die Gemeinde tragen. Es sind spannende und interessante Aufgaben, die nicht alltäglich sind.
Wo sehen Sie die Kirche und die Kirchgemeinde in fünf Jahren?
Ich hoffe, dass wir in fünf Jahren Gottesdienst in einer Kirche auf dem Kirchberg feiern. Die Kirchgemeinde ist durch den Brand enger zusammengerückt. Vielleicht braucht es einen Anstoß, dass Kirche wieder mehr in den Fokus der Gesellschaft unserer Stadt rückt. Ich wäre froh, wenn Werte, die für das gesellschaftliche Miteinander wichtig sind, wieder mehr in unserer Gesellschaft verankert werden. Da halte ich die Kirche für eine wichtige Säule, da hier die Werte für ein gutes und friedliches Zusammenleben gut und fest verankert sind.