Newsletter Ausgabe 11
Die Bedeutung des Freiwilligensystems für unsere Kirche
Wer läutet eigentlich die Glocke zum Gottesdienst? Wer hält den Friedhof in Schuss? Wer macht die Werbung für Veranstaltungen in der Kirchgemeinde? Wer bereitet das Kirchencafé vor?
Haben Sie sich das schon einmal gefragt? Die Antwort lautet: Es sind unzählige Menschen um uns herum, aus unserer Kirchgemeinde. Sie engagieren sich freiwillig, aus einem inneren Antrieb heraus. Ehrenamt gilt dem Gemeinwohl und dient idealerweise auch dem eigenen inneren Frieden und Wohlbefinden.
Die Ehrungen
Meist arbeiten die Ehrenamtlichen im Hintergrund, doch am 17. Januar dieses Jahres standen einige von ihnen ganz vorn: Die Stadt Großröhrsdorf ehrte beim Neujahrsempfang des Gewerbevereines Rödertal Herrn Jörg Boden und das Perspektivteam der Kirchgemeinde für ihr ehrenamtliches Engagement: Umsichtig und mit viel Expertise betreute Herr Boden über anderthalb Jahre alle Sicherungs- und Räumungsarbeiten an der Brandruine unserer Stadtkirche in Großröhrsdorf. Das Perspektivteam kreierte höchst ideenreich einen Findungsprozess hin zu einer neuen Kirche.
Aus der Kirchgemeinde Bretnig wurde am 17. Januar Frau Barbara Nowakowski für ihr jahrzehntelanges Ehrenamt ausgezeichnet. Sie managt, räumt, singt, backt, denkt vor, entscheidet, putzt, ist Ansprechpartnerin und verlässliche Größe und Orientierungspunkt für viel in und außerhalb der Kirchgemeinde.
Diese Ehrungen sind nur einige Beispiele für das wertvolle Engagement unserer oder anderer Gemeindemitglieder. Sie zeigen, wie wichtig es ist, gemeinsam für das Wohl der Gemeinschaft zu arbeiten und dabei die individuellen Fähigkeiten und Talente einzubringen. Jeder Beitrag, sei er noch so klein, trägt dazu bei, unsere Kirche lebendig und stark zu machen.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Ehrenamt
Viele wunderbare Menschen an vielen Stellen im Einsatz: Im Kirchner- und Begrüßungsdienst bei den Gottesdiensten, bei der kindgerechten Ausgestaltung der Kindergottesdienste, im Kirchenchor und anderen musikalischen Einsatzmöglichkeiten, in der Kinder- und Jugendarbeit, im Frauendienst, in unserer Kita Agnesheim, bei der Pflege und Erhaltung unserer Friedhöfe in Groß- und Kleinröhrsdorf, maßgeblich in der Steuerung und Leitung der Kirchgemeinde.
Es gibt diverse Arbeitsgruppen, die nur mit dem persönlichen Einsatz der Gemeindemitglieder arbeiten können, beispielsweise der Bauausschuss oder der Kleinröhrsdorfer Ausschuss. Erwähnt werden muss auch unser jährlich stattfindender Hofschwof oder der Verkauf von Second-Hand-Kleidung beim mittlerweile etablierten Spendenflohmarkt. Die Vorbereitung und Durchführung solcher Angebote wären ohne den ehrenamtlichen Einsatz nicht
denkbar. Das Austragen der Kirchennachrichten, das Organisieren von Fachvorträgen, Erstellung von Ausstellungen und so weiter ... technisches und handwerkliches Knowhow sind sowieso gefragt.
Dieses Ehrenamt ist kein normaler Job, es gibt keinen monetären Lohn dafür. Und dennoch ist es verbindlich und verantwortungsbehaftet. Mitunter auch voller Druck und leistungsorientiert – in den meisten Bereichen können die Hauptamtlichen ohne Unterstützung der Ehrenamtlichen die Arbeit gar nicht schaffen. Unvorstellbar? Aber wahr – die Führung der Kirchgemeinde, die Gottesdienste, die Friedhofsarbeiten und viele Bereiche mehr sind auf das Ehrenamt angewiesen.
Dieses Amt ist gleichzeitig sinnhaft und anstrengend, mitunter stressig. Eine der größten Herausforderungen ist es, die Balance zwischen den verschiedenen Erwartungen und Aufgaben zu finden. Ehrenamtliche bringen ihre Zeit und Fähigkeiten ein, oft neben Beruf und Familie, und das kann manchmal zu Herausforderungen führen.
Und doch: Kirche kann nur mit Ehrenamt funktionieren. Wir alle gemeinsam sind die Gemeinschaft, die Brücke zueinander und nach außen. Hauptamtliche und Ehrenamtliche bauen miteinander die christliche Gemeinschaft.
Wie genau das aussehen kann, erfahren wir im Interview mit dem Ehrenamtlichen Jörg Boden und dem hauptamtlichen Oberkirchenrat Jörg am Rhein.
Ehrenamt speziell – Jörg Boden im Interview
Was war der Moment oder die Situation, die Sie dazu gebracht hat, sich nach dem Brand der Stadtkirche für den Bau zu engagieren?
Es war die Frage, ob ich meine beruflichen Erfahrungen einbringen kann. Zögern oder langes Überlegen war nicht angesagt. Im August 2023 lag der Brandgeruch noch über der Stadt. Da war Helfen auch eine Form der Auseinandersetzung mit den Geschehnissen.
Welche Aufgaben bzw. Tätigkeiten übernahmen Sie bei der Beräumung der Ruine und übernehmen Sie konkret beim Wiederaufbau der Kirche? Was ist für Sie daran besonders erfüllend?
Die Arbeiten der Beräumung und Sicherung der Brandruine dauerten über ein Jahr. Ich habe die Kommunikation zwischen allen direkten Beteiligten koordiniert, die Verbindungen zu den Ämtern und begleitenden Firmen gestaltet. Hier waren vor allem schnelle Entscheidungen nötig. Die sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit aller war und ist eine gute Grundlage für die Arbeit. In der zurückliegenden Zeit sind wichtige Entscheidungen getroffen worden, die den Weg zu einem Kirchgebäude auf dem Kirchberg ebnen. Auch hier werde ich mich in die Verfahren des Architekturwettbewerbs, der Planungen für den Bau und die Umsetzung einbringen. Die Mitglieder des Kirchenvorstandes und alle Beteiligten rundherum haben sehr großes Vertrauen in mich und meine Erfahrung auf dem Gebiet des Projektmanagements gesetzt und mich in das Team aufgenommen.
Gab es besondere Herausforderungen, mit denen Sie im Ehrenamt konfrontiert wurden, und wie haben Sie diese gemeistert?
Ich habe keine Schaufel und keinen Eimer Brandschutt getragen, keinen verschütteten Rest der wertvollen Kulturgüter gesucht. Das haben teilweise unter schwierigen Bedingungen die Arbeiter der Beräumungsfirma und ehrenamtliche Kräfte um Pfarrer i.R. Norbert Littig erledigt. Die Prüfung der Standsicherheit des verbliebenen Mauerwerks und die Sicherung haben Planungsbüros und Fachfirmen gemacht. Meine Herausforderung war
die unterschiedlichen Belange der Beteiligten immer im Blick zu behalten und miteinander die Ziele zu erreichen. Ich bin sehr froh, dass wir offen und ehrlich miteinander umgegangen sind und lösungsorientiert gearbeitet
haben. Das gilt für die Firmen genauso wie für die Ämter der Stadt, den Landkreis und die Landesdirektion und die Verantwortlichen im Kirchenvorstand, dem Regionalkirchenamt und der Landeskirche.
Was würden Sie anderen Menschen, die vielleicht noch zögern, sich zu engagieren, über die Bedeutung von ehrenamtlichem Einsatz für unsere Kirche und die Gemeinde erzählen?
Ehrenamtliche Arbeit wird in der jetzigen Zeit meist mit Füllen von Lücken, die im gesellschaftlichen Leben aufgrund von fehlenden Mitteln auftreten und sichtbar sind, verbunden. Im konkreten Fall unserer Kirche ist es der schlimme Brand, der im Sommer 2023 viele Mitmenschen wieder oder noch mehr zum Engagement für unsere Kirche – und da meine ich nicht nur das Kirchengebäude – gebracht hat. Der eine oder andere hätte sicher gern tatkräftig Hand angelegt. Das war aus vielen Gründen, vor allem aus Gründen der Sicherheit, nicht möglich. Dennoch kann man sich direkt in den nun anstehenden Planungs- und Bauprozess einbringen. Ein wichtiger Punkt war z.B. die Beteiligung an der Umfrage. Es werden in nächster Zeit der Architekturwettbewerb, die Planungen und die Umsetzung folgen. Jede Idee ist da hilfreich. Zudem kann die Kirchgemeinde immer Fürsprecher und Helfer gebrauchen, die das Projekt in die Gemeinde tragen. Es sind spannende und interessante Aufgaben, die nicht alltäglich sind.
Wo sehen Sie die Kirche und die Kirchgemeinde in fünf Jahren?
Ich hoffe, dass wir in fünf Jahren Gottesdienst in einer Kirche auf dem Kirchberg feiern. Die Kirchgemeinde ist durch den Brand enger zusammengerückt. Vielleicht braucht es einen Anstoß, dass Kirche wieder mehr in den Fokus der Gesellschaft unserer Stadt rückt. Ich wäre froh, wenn Werte, die für das gesellschaftliche Miteinander wichtig sind, wieder mehr in unserer Gesellschaft verankert werden. Da halte ich die Kirche für eine wichtige Säule, da hier die Werte für ein gutes und friedliches Zusammenleben gut und fest verankert sind.
Oberkirchenrat Jörg am Rhein - Ein Hauptamtlicher im Interview
Wie kann man sich Ihre Tätigkeit als Oberkirchenrat vorstellen?
In Sachsen ist der Oberkirchenrat ein beamtenrechtlicher Titel mit der Aufgabe der Leitung des Regionalkirchenamtes (RKA). Als Kollegialbehörde teilt sich der Leiter des RKA diese Aufgabe bezogen auf den jeweiligen Kirchenbezirk mit dem jeweiligen Superintendenten des Kirchenbezirks. Eigentlich ist die Frage also, was die Aufgabe des Regionalkirchenamtes ist: Dieses berät die ihm zugeordneten Kirchgemeinden und Rechtsträger in Rechts-, Bau-, Finanz- und Verwaltungsangelegenheiten. Außerdem führt das RKA die unmittelbare Rechtsaufsicht über die Kirchgemeinden und deren Einrichtungen. In Sachsen gibt es zwei Regionalkirchenämter.
Unsere Kirche ist immer zweiteilig aufgebaut - egal auf welcher Ebene. Es gibt die Hauptamtlichen und die Ehrenamtlichen, quasi Laien, wobei das Verhältnis in den Kirchenvorständen mindestens paritätisch sein muss. Durch diese Struktur ist ein enormes Spektrum an Wissen von den Hauptamtlichen notwendig. Und hier unterstützt das Regionalkirchenamt – berät, gibt
qualifizierte Zuarbeiten in die Gemeinden, erstellt beispielsweise den Haushaltsplan, schafft eine Ermöglichungsstruktur. Die Laien sagen, was gebraucht wird, und wir geben den Rahmen dafür vor. Wir zeigen vor Ort Gesicht, holen die Gemeinden ab und stehen ihnen zur Seite.
Was beinhaltet Ihre Arbeit konkret für den Wiederaufbau
der Stadtkirche Großröhrsdorf?
Der Kirchenvorstand als Laiengremium und das Pfarramt können nicht allein agieren, es braucht die professionelle Zusammenarbeit mit uns dafür. Die Kraft des Amtes als Unterstützer und Aufsicht. In diesem speziellen Fall kümmert sich unsere Baupflegerin vom Regionalkirchenamt um die baufachliche Beratung. Außerdem übernehmen wir die Verhandlung und Koordinierung mit der Versicherung, kümmern uns also um die Finanzierung des Baues der neuen Stadtkirche Großröhrsdorf. Wir versuchen die Komplexität der Situation zu strukturieren und zu reduzieren und geben den Verantwortlichen vor Ort damit auch Sicherheit.
Können Sie uns einen Überblick über das ehrenamtliche Engagement rund um die Beräumung und den geplanten Wiederaufbau der Stadtkirche geben? In welchen Arbeitsbereichen tragen die Ehrenämtler besonders Verantwortung und wo leisten sie in welchem Umfang welche Arbeit? Wie schätzen Sie die Bedeutung dieser Aufgaben ein?
Die Gremienarbeit ist hier zu nennen: Der Kirchenvorstand, der Bauausschuss, der Krisenstab, der Masseneibund. Die Befragung hier vor Ort durch das Perspektivteam, die vielen Aktionen für Spenden, Pfarrer i.R. Littig mit der Sichtung und Katalogisierung der Artefakte und noch viele mehr.
Es ist zu 95% Sache der Ehrenamtlichen, was es wird und wie es wird. Es ist, wie schon gesagt, dem Aufbau der Landeskirche geschuldet, dass so viel Ehrenamt notwendig ist. Aber natürlich ist Kirche mit und für den Menschen und nicht zum Selbstzweck da. Es geht nur mit Menschen vor Ort, die anpacken. Speziell hier leisten der Kirchenvorstand und sein Vorsitzender eine großartige Arbeit. So eine besondere Situation wie hier in Großröhrsdorf bedarf dieses außergewöhnlichen Engagements. Unter anderen Umständen wären das hochbezahlte Leute. Man kann das gar nicht hoch genug bewerten. Es sind gewissermaßen versteckte Subventionen und sie finden sich überall in der Kirche. Kein Friedhof könnte unterhalten werden und kein Gottesdienst stattfinden ohne Ehrenämtler. Es gibt keine monetäre Kennzahl, die ausdrücken könnte, wie viel das Ehrenamt macht.
Was motiviert Ihrer Meinung nach die Menschen zu diesem Einsatz?
Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, zur Gemeinschaft der Christen.
An welchen Stellen wird in Zukunft der ehrenamtliche Einsatz unerlässlich sein? Wird sich das Verhältnis Hauptamtliche/Ehrenamtliche verändern?
Das hängt ab von der Entwicklung der Kirche und den damit verbundenen Finanzen. Umso weniger Kirchenmitglieder, umso weniger können wir uns Hauptamtliche leisten. Es wird noch mehr von Laien übernommen werden müssen. Zunehmend werden beispielsweise Lesegottesdienste in Eigenregie stattfinden, also ohne Pfarrer. Hauptakteure wie Kirchenvorstände oder Fördervereine werden meiner Einschätzung nach, zunehmend anleiten, koordinieren und durchführen.
Fazit
Das Ehrenamt trägt das Herzstück unserer Kirchgemeinde - Glauben und Gemeinschaft. Ohne die engagierten Menschen, die freiwillig und aus eigenem Antrieb handeln, wäre vieles nicht möglich. Die Interviews mit einem Ehrenamtlichen und einem Hauptamtlichen zeigen deutlich, wie wichtig diese Zusammenarbeit ist und welche Herausforderungen und Erfüllungen sie mit sich bringt. Es liegt an uns allen, dieses wertvolle Engagement wertzuschätzen, zu unterstützen, zu fördern und auf vielen Schultern zu verteilen.
Wir bauen zusammen wieder auf! Sie können die Arbeit der Kirchgemeinde gern weiterhin mit Spenden unterstützen.